An der Technischen Universität Clausthal (TUC) und an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (Ohm) gibt es jeweils eine Lehrveranstaltung mit dem Namen “Mensch-Maschine-Interaktion“. Während sie an der TUC im Bachelorstudium Informatik / Wirtschaftsinformatik angesiedelt ist, gehört sie an der Ohm zum Curriculum des Studienganges Digitales Gesundheitsmanagement. Gemeinsam ist ihnen, dass sich die Studierenden mit den Grundlagen menschlicher Informationsaufnahme und -verarbeitung befassen, und in begleiteter Projektarbeit lernen digitale Hilfsmittel an die Bedürfnisse und Anwendungskontexte spezifischer Nutzergruppen anzupassen.
In dem Health5G.net Use Case Datenbrille sollen Pflegefachpersonen und pflegende An- oder Zugehörige von Schlaganfallpatienten bei anspruchsvollen Versorgungsszenarien in einem interaktiven Schulungs- und Ablaufprogramm unterstützt werden. Die sog. Datenbrille, genauer Assisted Reality Brille (AR), dient dabei den Pflegefachpersonen als Hilfsmittel, um den individuellen Versorgungsprozess der Patient*innen, während des Akutaufenthalts auf der Stroke Unit der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), zu dokumentieren und didaktisch aufbereitet an Nachsorgende in der Häuslichkeit zu übermitteln. Versorgungsakteure in der Rehabilitation sowie informell Pflegende können das System nutzen, um die tägliche Versorgung und Pflegeaktivitäten auf den vorher aufbereiten Abläufen aufzubauen sowie im Bedarfsfall eine individuelle Telekonsultation mit der teilnehmenden Klinik für Neurologie der UMG durchzuführen.
„Das ist ein idealer Anwendungsfall für unsere Studierenden, an dem sie ihre bisher erworbenes theoretisches Wissen praktisch umsetzen können.”, meint Vertr.-Prof. Dr. David Unbehaun, wissenschaftlicher Leiter unseres Anwendungsfalles und gleichzeitig verantwortlich für die Lehrveranstaltung an der TUC. Im Sommersemester 2023 hat der Lehrstuhl für Human-Centered Information Systems in Clausthal damit begonnen die empirische Anforderungs- und Kontextanalyse für unsere Studie auszuarbeiten. Gemeinsam mit Studierenden folgte die Ausformulierung von Formularen und Fragebögen für die teilnehmenden Pflegefachkräfte, informellen Pflegende und die Patient*innen zur Akzeptanz, den erlebten Vor- und Nachteilen der Technik und anderen Parametern zur Messung der erhofften verbesserten Versorgung durch das geplante Edukationsmodell.
Prof. Dr. Timo Jakobi ist Modulverantwortlicher für die Vorlesung an der TH Nürnberg. Für ihn und seine Studierenden standen, aufgrund des Studienschwerpunktes Gesundheitsmanagement, die Benutzendenfreundlichkeit der Versorgungsprozesse selbst im Vordergrund. Anhand von Interviews mit Vertreter*innen der ausgemachten Zielgruppen und unserer Projektmitarbeiterin Silke Kükemück, die das Schulungsprogramm entwickelt, sowie von ihr produzierten Videos, in denen sie standardisierte Pflegeszenarien aufgezeichnet hat, analysierten sie die Vorgänge und unterteilten sie in kleinteilige Arbeitsprozesse. Diese Standard Operation Procedures (SOP) wurden im Wintersemester 2023/24 ausgearbeitet und helfen jetzt Frau Kükemück bei der didaktischen Ausarbeitung ihrer Schulungen.
Außerdem dienen die Erkenntnisse aus der Analyse der Versorgungsprozesse als eine Grundlage für die Implementierung der technischen Hilfsmittel und bei der Begleitung des Vor-Ort-Einsatzes an der UMG sowie dem häuslichen Umfeld in dem die Patient*innen gepflegt werden. Diese Aufgabe erwartet die nächste Kohorte der “Mensch-Maschine-Interaktion“ an der TUC im kommenden Sommersemester.
Timo Jakobi und David Unbehaun kennen sich bereits aus ihrer Promotionszeit an der Universität Siegen. Die informelle Kooperation in ihren Seminaren zur Mensch-Maschine-Interaktion empfinden beide als große Bereicherung. “Meine Erfahrung ist, dass Studierende deutlich motivierter sind, wenn sie an echter Forschungsarbeit teilhaben, anstatt rein theoretische Anwendungsfälle zu bearbeiten. Darüber hinaus bietet ihnen die Übergabe der Ergebnisse aus der Vorlesung der einen Hochschule an die andere und wieder zurück, ein anschauliches Beispiel wie Forschung an sich funktioniert. Die eigene Arbeit fußt ja letztlich auch immer auf Erkenntnissen und Arbeit Anderer.”, fasst Timo Jacobi den Mehrwert der hochschulübergreifenden Beteiligung für ihre Studierenden zusammen.
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